Die neue schrille Tonlage der Gleichberechtigungsgegner ist eine Reaktion auf ihre marginalisierte Position. Denn die Politik des Respekts vor der Verschiedenheit und für eine Ordnung, die allen Menschen gleiche Würde, gleiche Rechte und gleiche Chancen garantiert, war hegemonial und auf lange Sicht eine Erfolgsgeschichte.
Strategien gegen Antifeminismus und Homophobie
„Die große Verschwulung“, „Gender-Gaga“, „Gender-Ideologie“ und „Genderismus“ lauten die negativen Krawallbegriffe der neuen Rechten. Es begann alles damit, dass die gleichstellungspolitische Strategie der EU „Gender Mainstreaming“ Jahre nach ihrer Einführung zum großen Umerziehungsprogramm umgedeutet wurde. Das Gerücht über die geheimen Ziele der Feminist*innen, Lesben, Schwulen, Trans* und Inter* war damit geboren: Die Protokolle der Weisen von Sodom. Ein neuer, schriller Zungenschlag kehrte mit einem Mal in die Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit ein.
Die emanzipatorischen, geschlechterpolitisch fortschrittlichen Bewegungen kämpften und kämpfen darum, dass soziale und rechtliche Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts, der geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung nicht das Schicksal der Menschen bestimmt. Kirche, Staat, Wirtschaft - von Männern und der Ideologie des Patriarchats dominiert - waren dabei zunächst immer unsere Gegner. Es gelang uns, die Erkenntnisse der Humanwissenschaften mit den Verheißungen der demokratischen Verfassungen von Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit zu verbinden und auf dieser Grundlage eine Politik des Respekts für alle zu formulieren und allmählich Schritt für Schritt in Gesellschaft und Staat durchzusetzen. Der letzte große Erfolg war der Gesetzesbeschluss vom 30. Juni 2017 zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.
Der gesellschaftliche Wandel der Ehe vom bevölkerungspolitischen Instrument zum Freiheitsrecht
Die Agenten der patriarchalen Geschlechter- und Sexualitätsordnung reagierten auf humanwissenschaftliche Erkenntnisse lange Zeit mit Ignoranz, vertrauten auf die Stabilität des Vorurteils und setzten darauf, die traditionelle patriarchale Ordnung mit der Natur des Menschen und der Gesellschaft gleichsetzen zu können. Sie setzten auf Tradition statt Argument, knüpften an das Eheverständnis der Weimarer Reichsverfassung an, das nicht die Freiheit zur und der Ehegatten in der Ehe gegen Störungen des Staates schützte, sondern die Ehe „als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter [den] besonderen Schutz der Verfassung“ stellte. Ihr Ehebild ist von einer phantasierten Reproduktionsfunktion (Ehe als Keimzelle der Familie) geprägt, die so tatsächlich biologisch wie im bürgerlichen Recht mit dem familienrechtlichen Institut objektiv nie verknüpft war. Sie denken die Ehe als statisches rechtliches Modell und verschweigen den tiefgreifenden rechtlichen Wandel, den sie durchgemacht hat: Überwindung der grundsätzlichen Unauflöslichkeit wie der Vorrangstellung des Ehemannes gegenüber der Ehefrau, den das bürgerliche Recht über lange Zeit ausgezeichnet hatte. Ein Teil der Linken verband sich mit ihrer Anti-Ehepropaganda damit zu einer Dialektik des Ressentiments.
Den Ehetraditionalisten ging es um die Leitbildfunktion und den Schutz der Institution. Die Leitbildfunktion sahen sie vor allem im Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare aus dem Schutz der Institution. Nicht die Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, sondern die Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten bestimmte für sie den Kern des Ehebegriffs. Sie verkannten, dass moderne Menschenrechtsverträge wie das Grundgesetz die Eheschließungsfreiheit und den grundrechtlichen Charakter - eben anders als die Weimarer Verfassung betonen. Dies war auch eine Reaktion auf die historische Erfahrung mit dem Angriff der nationalsozialistischen Unrechtsordnung, die mit den „Nürnberger Rassegesetzen“ und anderen Repressalien die Freiheit der Ehe zerstörten. Sie übersahen auch bei ihrem Keimzellenargument, dass das Bundesverfassungsgericht längst den Familienbegriff um nichteheliche und lebenspartnerschaftliche Familienformen erweitert hatte.
Der Geschlechtsverschiedenheit der Ehe kommt heute keine prägende Bedeutung mehr zu:
- Bis zu 83 % der Bevölkerung, die das Eheschließungsrecht gleichgeschlechtlicher Paare befürworten, zeigen, dass die Bevölkerung vor allem die Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft als Substanz des Ehebegriffs begreift.
- Oberste und Verfassungsgerichte in vielen Ländern, zuletzt das österreichische Verfassungsgericht und die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) haben das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz angesehen und die Ehe für sie geöffnet oder entsprechende Schritte des Gesetzgebers bestätigt.
- Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2008 in seiner Transsexuellenentscheidung den Schutz und Bestand einer Ehe und die Freiheit der Ehegatten höher gewertet als die Geschlechtsverschiedenheit und so selbst die ersten gleichgeschlechtlichen Ehen geschaffen.
Die Agenten des Patriarchats reagieren mit Radikalisierung auf den Verlust der gesellschaftlichen Deutungshoheit
Mit dem Verlust der gesellschaftlichen Deutungshoheit wurden die Töne der Gegner der Geschlechtergerechtigkeit und Lesben- und Schwulenrechte immer schriller. Paradigmatisch für den Wandel ist die Diskussion bei den beiden großen deutschen Kirchen: Die evangelische Kirche reagierte auf humanwissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftlichen Wandel im Kirchenvolk mit neuen Deutungen der homosexuellen Existenz aus der Mitte der Schrift. Die katholische Kirche konnte und wollte da nicht folgen. Ihre Sexuallehre fußt auf der Systematisierung ihrer Sexualmoral durch Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert, der die tätige Kraft der Zeugung menschlichen Lebens noch im männlichen Sperma sah, während für ihn die Frau nur den Stoff hierfür liefert. Haeberle beschrieb die Lehre des Heiligen Thomas treffend: „Der Theologe Thomas von Aquin fasste im 13. Jahrhundert die überlieferte christliche Sexualdoktrin zusammen und erklärte, Gott lasse Geschlechtsverkehr nur zu, wenn er erfolge:
- zum richtigen Zweck (dem der Fortpflanzung),
- mit der richtigen Person (dem Ehepartner) und
- in der richtigen Weise (durch Koitus).
Jede sexuelle Handlung, die nicht völlig diese dreifache Bedingung erfüllte, war „unnatürlich“ und sündhaft. …Die „Natur“ des menschlichen Geschlechtsverkehrs ist die Zeugung von Kindern.“ Die Kategorie der sexuellen Selbstbestimmung ist in seiner Sexuallehre keine eigenständige Kategorie, Onanie und Homosexualität sind in dieser Konzeption der „Finalität des Geschlechtsaktes“ schlimmere Sünden als sexueller Missbrauch und Vergewaltigung. Diese Lehre ist bis heute die geistige Grundlage der Sexualerklärung der Glaubenskongregation “Persona Humana“ wie des Katechismus der katholischen Kirche. Hier ist Homosexualität „objektiv ungeordnet“ und „in keiner Weise zu billigen“.
Im säkularen, politischen Raum argumentiert die Kirche in Deutschland inzwischen verfassungsrechtlich. Der charismatische Papst Franziskus wie einige deutschen Bischöfe versuchen pastoral auf die Menschen, auch die Homosexuellen, zuzugehen. Gleichzeitig setzt sich aber in den Dokumenten des Vatikan eine besorgniserregende Radikalisierung in Duktus und Sprache fort. Papst Benedikt hatte begonnen die Aquinische Naturrechtslehre mit seinem Diktum von der „Ökologie des Menschen“ neu aufzuladen und zu überhöhen, zunächst in einem Angelus-Gebet und dann unter anderem in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag. In dieser Metaphorik wird Homosexualität zur sozialen Umweltverschmutzung. Das ist ein ungeheuerlicher Gedanke, der unausgesprochen im Raum steht. Wer meint diese Töne gehörten mit seinem Nachfolger der Vergangenheit an, irrt: Papst Franziskus soll gesagt haben: „Die Gender-Ideologie ist dämonisch"[1]. „Gender“, ein Begriff aus den Dokumenten der UN-Weltfrauenkonferenzen, das die sozial erworbenen und kulturell geprägten Geschlechterrollen meint und hinterfragt, wird vom Vatikan zu einer "Gender-Ideologie" umgedeutet und diabolisiert. In den Dokumenten des Vatikan zur Familiensynode findet man diese Haltung in wohl gesetzten Worten. In der Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus wird selbst das Diktum von Benedikt als „Humanökologie“ wieder neu aufgenommen. Dies zeigt, dass neurechte Gedanken, die zunächst nur Einfluss auf Gruppierungen am Rande der Kirche wie beim Hilfswerk päpstlichen Rechts „Kirche in Not“ hatten, mittlerweile auch in der Kurie Gehör finden.
Neurechte Gruppierungen um Hedwig von Beverfoerde und Birgit Kelle wie die „Demo für alle“ vertrauen längst nicht mehr auf die Argumente der Tradition und Chancen beim Bundesverfassungsgericht. Sie verlegen sich auf’s Diffamieren: sie warnen unter dem Motto „Öffnung der Ehe – Folgen für alle“ davor, dass „schon bald Forderungen nach einer weiteren Ausweitung der „Ehe“ auf Polygamie und dann auch Kinderehe zu erwarten“ seien. Birgit Kelle, deutsche Speerspitze des Antifeminismus, twitterte im Januar 2018: „Wer #Ehefueralle fordert, bekommt sie dann eben auch. #Polygamie. #Kinderehen. Das ganze Programm.“ Und verbreitet damit einen Artikel von Necla Kelek, in dem die polygame Ehe in Syrien in diffamierender Absicht zu einer „Variante der "Ehe für alle" auf islamisch“ erklärt wird. In der Ehe für alle sehen ihre Anhänger vermutlich einen „äußerst befremdlichen und besorgniserregenden Trend, der Indizien auf eine geplante und organisierte gesellschaftliche Verirrung sowie die Verwässerung jeglicher Moral, Ethik und Religiosität aufweise“, wie dies die vom Iran beeinflusste die Islamische Gemeinschaft der Schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V, jüngst formulierte[2]. Eine kuriose Allianz der Islamfeinde mit Islamlisten.
Diese neurechten Gruppierungen können und wollen nicht wahrnehmen, dass der Zusammenhang ein gegenteiliger ist - in Geschichte wie in Gegenwart. Polygamie, Kinderehen, Homosexuellenunterdrückung entspringen der einen patriarchalen Ordnung der Geschlechterverhältnisse und der Sexualität. Es gibt kein Land der Welt, das die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet hat und danach Kinderehen oder Polygamie eingeführt hätte. Es gibt aber Länder, die diese Eherechtsformen kennen. In Ihnen, wie beispielsweise im Iran oder in Saudi-Arabien, wird Homosexualität mit dem Tode, in anderen mit Gefängnisstrafe, bestraft.
Die schriller werdende Tonlage ist Reaktion auf unsere Erfolge
Die neue schrille Tonlage der Gleichberechtigungsgegner ist auch Reaktion auf die marginalisierte Position unserer Widersacher. Die Politik des Respekts vor der Verschiedenheit und für eine Ordnung, die allen Menschen gleiche Würde, gleiche Rechte und gleiche Chancen garantiert, war hegemonial: Vom Frauenwahlrecht über die Gleichberechtigung der Ehegatten, die Entkriminalisierung der Homosexualität, Diskriminierungsschutz und Gleichstellungsmaßnahmen bis hin zur Ehe für alle. In der langen Linie betrachtet war die Geschichte der feministischen wie der LGBTTIQ-Bewegungen in den letzten 100 Jahren - trotz dem deutschen zwölf Jahre währenden und länger nachwirkenden Rückfall in die Barbarei – eine Geschichte der Erfolge.
Das erklärt die Schrillheit, aber nicht die Obsession einiger Akteure. Warum treibt die Gleichstellung der Homosexuellen beim Eheschließungsrecht manche so sehr um, dass sie zu Demonstrationen gehen, Geld spenden und Konferenzen besuchen, und also Zeit und Geld für eine Angelegenheit investieren, die in ihrer eigenen Lebenswelt einfach gar nichts ändert?
Der Profit von Hass und Diskriminierung
In ihrer Gedankenwelt wird die Nichtabwertung und -diskriminierung anderer offensichtlich als Abwertung der eigenen Suprematie gelesen. Sie können die eigenen Entfaltungsmöglichkeiten nur dann genießen, wenn sie darum wissen, das andere diese nicht haben. Abwertung, Hass, Diskriminierung vergiften das gesellschaftliche Miteinander und sie stellen damit aber auch eine hierarchisierende Ordnung her. Carolin Emcke schreibt in ihrem Buch „Gegen den Hass“: „Gehasst wird aufwärts oder abwärts, in jedem Fall in einer vertikalen Blickachse, gegen »die da oben« oder »die da unten«, immer ist es das kategorial »Andere«, das das »Eigene« unterdrückt oder bedroht, das »Andere« wird als vermeintlich gefährliche Macht oder als vermeintlich minderwertiges Ding phantasiert – und so wird die spätere Misshandlung oder Vernichtung nicht bloß als entschuldbare, sondern als notwendige Maßnahme aufgewertet. Der Andere ist der, den man straflos denunzieren oder missachten, verletzen oder töten kann.“
Der Profit des Hasses – die vertikale Achse bietet für die Hassenden Verortung und Behausung, wo soziale Umwälzung, Globalisierung und Digitalisierung mit Verlust von Heimat und Gewohnheit drohen. Die vertikale Blickachse, das postulierte kategorial Andere, schafft Identität, ein „Wir gegen Die“. Eine virtuelle Behausung in der sich rasch verändernden Welt.
Die Gleichberechtigung der Anderen verschiebt die Blickachse, bedroht die durch Abwertung erst geschaffene Behausung. Das erklärt vielleicht den Furor am rechten Rand, der sich gegen Frauen mit Kopftuch im Schuldienst und die gleichgeschlechtliche Ehe auf dem Standesamt wendet. Beides nimmt ihnen ja nichts, außer eben dieser vertikalen Achse.
Die von der Rechten in die Gerechtigkeitsforderungen unserer Bewegungen projizierten Allmachtsansprüche entspringen dieser Haltung: Das Aufblasen des Begriffs Gender zur Gender-Ideologie, die Umdeutung der Emanzipation von Lesben und Schwulen zur Verschwulung der Welt und des Gender-Mainstreaming zum Umerziehungsprogramm haben ihre Ursache in der autoritären Weltsicht unserer Gegner. Sie wollen die Lebenswelten der Anderen mit ihrer Weltsicht beherrschen und können sich gar nicht vorstellen, dass es den emanzipatorischen Bewegungen nur um die Dekonstruktion der Ordnungsansprüche von Benachteiligungen und die Befreiung des eigenen Lebens von Beschränkungen der patriarchalen Ordnungen geht, aber eben nicht um den Anspruch ihre Lebenswelten zu beherrschen.
Respekt und die Werte unserer Republik
Aber was ist unsere Antwort darauf? Die Rechten zielen auf eine diskursive Hegemonie. Sie setzen auf eine Polarisierung der Gesellschaft. Deshalb ist entscheidend, dass der demokratische Diskurs nicht in ihrem Drehbuch spielt. Man muss deshalb aufpassen, dass man der Karikatur, die die neue antifeministische Rechte zeichnet, nicht ähnlich wird. Wo wir nur reflexhaft auf ihre Provokationen reagieren, verführt durch die Belohnung der Likes und Shares der eigenen Resonanzräume, oder, Demokraten versuchen, durch Übernahme ihrer Perspektive sie zu kopieren, spielen wir in ihrem Theaterstück. Da dürfen wir nicht mitspielen. Das gelingt nicht immer. Wir müssen jeden Tag einfach wieder neu anfangen.
Haltung, Dekonstruktion ihrer Mythen, Kontextualisierung und Differenzierung, wo sie mit Pauschalisierung, Fake und Dekontextualisierung ihre Hassobjekte zurecht schleifen, sind Aufgaben einer Argumentation der Aufklärung. Angesichts unserer historischen Erfolgsgeschichte können wir das mit Selbstbewusstsein und einer gewissen Gelassenheit angehen.
Scheuen wir uns nicht in unserer Argumentation auch Werte und Begriffe der Republik für uns zu reklamieren, wie ich das beispielsweise in meiner Rede zum 30.Juni 2017 im Bundestag mit den Begriffen „Einigkeit und Recht und Freiheit“ getan habe. Scheuen wir uns nicht, unsere eigene Sprache zu überprüfen, wo wir außerhalb unserer Communities und unserer eigenen Resonanzräume nicht verstanden werden und die Neue Rechte dieses Unverständnis für die Denunziation unserer Anliegen nutzt.
Wir müssen mehr Sorgfalt darauf verwenden, unsere Anliegen für die Gesellschaft allgemein verständlich zu übersetzen:
- Niemand regt sich bei Bahn oder Flugzeug über die Toiletten auf, jede*r hat sie bei sich zu Hause: Toiletten, die für alle Geschlechter zugänglich sind und gerade auch Trans* in der Transition dumme Blicke und viele Fragen ersparen. Eigentlich praktisch. Wenn man über „Unisex“-Toiletten redet, lassen sich daran Phantasien über Sexualität und eine zwanghafte Vereinheitlichung knüpfen. Frametechnisch eine Katastrophe. Grund genug über ein neues Label für ein richtiges Anliegen nachzudenken.
- Geschlechtergerechte Sprache ist ein Instrument, Respekt auszudrücken und niemand aus dem Adressat*innenkreis auszuschließen. Respekt ist das Ziel, bestimmte Vereinbarungen wie Genderstar oder Gendergap sind ein Instrument, sie erleichtern das Ziel zu erreichen. Ohne sich selbst zu dementieren, kann man das auch mal dazu sagen. Nein, es gibt keine Sprechverbote der Political Correctness, aber es gibt Gebote des Anstands. Dazu gehört, auch alle wahrzunehmen und entsprechend anzusprechen. Dafür gibt es selbstverständlich auch verschiedene Möglichkeiten.
Und scheuen wir uns nicht, die Diskursagenten des Patriarchats genau zu beobachten, ihre unterschiedlichen Motivationslagen und Argumentationsmuster zu analysieren und ihre Netzwerke zu erkennen. Manches ist echte Gegnerschaft. Manches ist nur Missverständnis und Besorgnis. Und das lässt sich argumentativ ausräumen oder entschärfen. Als ich Ende der 80-er-Jahre, Anfang der 90-er-Jahre praktisch jede Einladung für Diskussionen in Kirchengemeinden zur Öffnung der Ehe angenommen habe, haben dies viele in der eigenen Bewegung nicht verstanden. Applaus war dort nicht garantiert, aber dort passierte etwas. Geschlechtergerechtigkeit ist ein urdemokratisches Projekt. Erklären wir, dass Frauen gleichen Lohn und gleiche Chancen zu geben, ein Gebot der Fairness ist und die Potentiale unserer Gesellschaft entfaltet, Lesben- und Schwulenrechte niemand etwas nehmen, die Anerkennung der Rechte von Trans* und Intersexuellen („die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.“) weder Arabesken sind, noch eine Kulturrevolution erfordern. Es ist alles eine Frage des Respekts vor ihrer Menschenwürde. Nicht mehr und nicht weniger.
Zum Weiterlesen:
Volker Beck: Zur Notwendigkeit für demokratische Selbstverständlichkeiten zu argumentieren
Volker Beck: Sprachgewalt – oder „Nein, unser Land bekommt ihr nicht zurück“
Gesine Agena/Volker Beck: Rechte Mythen – Das wird man ja wohl noch mal entzaubern dürfen!
[1] http://www.kirche-in-not.de/downloads/glaubens-kompass-gender-ideologie.pdf , S.15, Abfrage 4.3.2018